Brokkoli gilt als unberechenbar. Verlässliche Einschätzungen, wann das grüne Gemüse reif für den Kochtopf ist, sind bislang gescheitert. Das könnte sich jetzt ändern. Ein Forscherteam der Leibniz Universität Hannover hat herausgefunden, wie sich der Erntezeitpunkt verlässlich berechnen lässt. Die Erkenntnisse könnten erhebliche Einsparungen beim Anbau ermöglichen.
Das Promotionsvorhaben von M. Sc. Karsten Zutz am Institut für Gartenbauliche Produktionssysteme wird innerhalb des Kompetenznetzwerks Wega über das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. WeGa steht für Wertschöpfungskette Gartenbau und hat das Ziel, sowohl die Produktsicherheit als auch die Produktionssicherheit zu erhöhen. Unter dem Dach des Kompetenznetzwerkes arbeiten daher mehrere Universitäten, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Partner aus der Industrie zusammen. Als Partner aus der Wirtschaft unterstützt die Behr AG, ein europaweit agierender Gemüseproduzent, das Projekt.
In der Abteilung Systemmodellierung Gemüsebau des Instituts für Gartenbauliche Produktionssysteme steht insbesondere die Terminsicherheit innerhalb der Produktionskette im Vordergrund. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im WeGa Verbund: Wertschöpfungskette Freilandgemüsebefassen sich unter Leitung von Prof. Hartmut Stützel u.a. damit, wie sich innerhalb der Wachstumsphase der Qualitätsverlauf messen lässt, ohne die Pflanze zu zerstören oder auch, wie sich die Inhaltsstoffe einer Pflanze beeinflussen lassen. „Der Produktionsprozess soll besser steuerbar sein, damit der Markt kontinuierlich beliefert werden kann“, sagt Professor Stützel, der auch die Dissertation von Karsten Zutz betreut. „Die Frage ist, wie wir vorhersagen können, wann Brokkoli in optimaler Qualität erntereif ist.“
Ähnlich wie beim Menschen gibt es auch bei Pflanzen verschiedene Entwicklungsphasen, in denen sie unterschiedlich auf äußere Einflüsse reagieren. Brokkoli etwa reagiert sensibel auf Temperaturen. In seiner ersten Wachstumsphase, in der auch der Kopf ausgebildet wird, ist die Entwicklung durch kühle Temperaturen verkürzt. In der zweiten Phase wirken warme Temperaturen beschleunigend auf die Kulturdauer. Das hat zur Folge, dass zwei zu unterschiedlichen Zeitpunkten gepflanzte Populationen gleichzeitig erntereif sein können. Hinzu kommt, dass nicht alle Pflanzen gleich schnell wachsen – die Ursache dafür liegt bereits im Saatgut und lässt sich kaum durch äußere Bedingungen verändern.
Für seine Dissertation „Vorhersage von Kulturdauer und Variation zur Entscheidungsunterstützung im Brokkolianbau“ hat Karsten Zutz insgesamt mehr als 1.000 Brokkolipflanzen in Klimakammern untersucht und sie unterschiedlichen Temperaturen ausgesetzt. Die so gewonnenen Informationen hat er in einem Wachstumsmodell zusammengeführt und dann auf dem Feld überprüft. Basierend auf diesen Daten hat er ein Prognosemodell entwickelt, das anhand von Temperaturmessungen verlässliche Vorhersagen ermöglicht, wann das Gemüse erntereif ist.
Erntereif bedeutet - zumindest für die deutsche Frischmarktproduktion -, dass das grüne Gemüse geschnitten wird, wenn es 500 Gramm wiegt, die Knospen noch geschlossen sind und die Farbe ins bläuliche tendiert. Da Brokkoli von Hand geschnitten wird, müssen die Erntehelfer an mehreren nacheinander folgenden Tagen über das Feld, um den vollen Ertrag abernten zu können. Der Einsatz des Prognosemodells könnte den Ernteaufwand erheblich reduzieren, indem Erntetermine, an denen möglichst viele Brokkoliköpfe in möglichst wenigen Erntengängen erntefähig sind, vorhergesagt werden. Dies kann helfen, Kosten einzusparen, der gesamte Produktionsprozess wird besser steuerbar. Für seine Erkenntnisse ist Karsten Zutz jetzt mit dem Grow Award ausgezeichnet worden, der mit 5.000 Euro höchst dotierte wissenschaftliche Innovationspreis im Gartenbau.
Hinweis an die Redaktionen
Für weitere Informationen steht Ihnen M. Sc. Karsten Zutz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gartenbauliche Produktionssysteme der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 4751 oder per E-Mail unter zutz@gem.uni-hannover.de gern zur Verfügung.