Seegras hat eine immense Bedeutung für den Klima- und Küstenschutz. Seegraswiesen können große Mengen CO2 speichern, sie stabilisieren die Küsten gegen Erosion und schaffen einen Lebensraum für Tausende von Arten. Seegräser entnehmen dem Meer das Treibhausgas Kohlendioxid und speichern dessen Kohlenstoffanteil im Meeresboden ein – und zwar mit einer erheblich höheren Rate als jeder Wald an Land. Aber wie andere Küstenökosysteme sind auch Seegraswiesen stark bedroht. Die Meerwassererwärmung sowie Überdüngung, intensiver Tourismus und Siedlungsbau gefährden die Bestände weltweit. Auch die dominierende Seegrasart in der südlichen Ostsee, Zostera marina, steht vor dieser großen Herausforderung. Hier setzt das Verbundprojekt SeaStore an: Ziel ist es, Seegraswiesen erfolgreich wiederherzustellen. Die Erfolgsaussicht einer Wiederansiedlung hängt von einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren ab. Basierend auf skandinavischen Vorarbeiten werden sie alle im Projekt SeaStore untersucht, in dem verschiedene Universitäten und Einrichtungen unter der Koordination der Leibniz Universität Hannover (LUH) zusammenarbeiten.
Und es gibt erste, beeindruckende Erfolge: Die im Projekt begonnenen Seegras-Wiederansiedlungskampagnen in der Ostsee laufen äußerst erfolgreich. An drei Standorten entlang der schleswig-holsteinischen Ostseeküste (Kiel, Maasholm und Geltinger Bucht) wurden insgesamt mehr als 3000 Quadratmeter mit 12 000 Pflanzen bestückt, die Forschungstaucher zuvor vorsichtig einer intakten Seegraswiese entnommen hatten. „Nach einem guten Jahr zeigt sich eine vielversprechende Entwicklung“, sagt Projektleiterin Dr. Maike Paul vom Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen (LuFI) der LUH. An einem Standort gab es anfänglichen Startschwierigkeiten, doch insgesamt habe die Vegetationsdichte zugenommen und ist in einem Jahr um mehr als das 25-fache gestiegen. „Nach einem Jahr entspricht sie nun nahezu der Dichte einer natürlichen Wiese und ist inzwischen auf Satellitenbildern gut zu erkennen“, erläutert Maike Paul.
Die Standorte und Pflanzungen unterscheiden sich darin, wie stark sie der Wellenbelastung ausgesetzt sind und wie viele Pflanzen pro Quadratmeter gepflanzt wurden. Nach der Bepflanzung sind die Flächen in regelmäßigen Abständen beprobt worden, um die Ausbreitung, die Kohlenstoffspeicherung, die Sedimentstabilisierung und die biologische Vielfalt – inklusive der mikrobiellen Gemeinschaften – zu messen sowie die Entwicklung der Pflanzen zu bewerten. Die gleichen Daten werden in einer natürlichen Seegraswiese erhoben, um Unterschiede beziehungsweise Ähnlichkeiten zwischen natürlichen und wiederangesiedelten Seegraswiesen zu verstehen. Die Beprobungen werden noch bis zum Laufzeitende des Projekts im Oktober 2023 intensiv fortgesetzt.
Zu Fragen der Akzeptanz und Wahrnehmung in der Bevölkerung finden im Projekt Forschungsgruppendiskussionen und bundesweite Bevölkerungsbefragungen zur Wahrnehmung von Seegraswiesen im Vergleich zu anderen Ökosystemen statt. Erste Ergebnisse zeigen, dass eine Flächenausweitung durch Wiederansiedlung als innovativer Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung größtenteils positiv bewertet wird.
Die Instrumente und Modelle aus dem Projekt SeaStore sollen Behörden und anderen Akteurinnen und Akteuren dabei helfen, Projekte zur Ansiedlung von Seegraswiesen zu bewerten, zu planen und erfolgreich umzusetzen. „Unsere ersten Ergebnisse demonstrieren sehr erfolgreich die Machbarkeit der Seegraswiederansiedlung“, sagt Maike Paul. Somit könne diese Methode zu einem vielversprechenden Instrument für das Küstenmanagement der Zukunft werden.
Über SeaStore
Das Verbundprojekt „SeaStore: Diversity Enhancement Through Seagrass Restoration“ läuft seit November 2020, endet im Oktober 2023 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund zwei Millionen Euro gefördert. In dem multidisziplinären Verbundprojekt verfolgen Forschende aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen gemeinsam das Ziel, erfolgversprechende Methoden zur Wiederansiedlung von Seegraswiesen in der südlichen Ostsee zu entwickeln. Es soll ein Leitfaden entwickelt werden, der alle Aspekte der Seegras-Restauration abdeckt: angefangen bei der Wahl der richtigen Standorte und geeigneter Samen oder Sprösslinge über Vorgaben, wie diese ausgepflanzt werden sollten bis hin zur Erfolgskontrolle und der Frage, wie die Küstenbevölkerung, Touristinnen und Touristen und andere Interessengruppen in das Projekt eingebunden werden können und müssen, um Erfolgsaussichten und öffentliche Akzeptanz zu steigern. Die LUH (Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen, Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik) koordiniert das Verbundprojekt. Beteiligt sind außerdem die Technische Universität Braunschweig, die Universität Greifswald, das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und das Institut für Weltwirtschaft Kiel.
Weitere Informationen unter www.seegraswiesen.de
Hinweis an die Redaktion:
Für weitere Informationen steht Ihnen Dr. Maike Paul, Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen, unter Telefon 0511 762 2584 oder per E-Mail unter paul@lufi.uni-hannover.de gern zur Verfügung.