Satelliten könnten in Zukunft helfen, die Vorwarnzeiten bei Wetterextremen wie Überschwemmungen und Dürren zu verlängern. Fluten etwa bauen sich so schnell auf, dass sie bisher kaum vorhersagbar sind. Ein internationales Forschungskonsortium unter Leitung der Universität Bern (Schweiz) versucht nun, die Vorwarnzeit für Fluten und Dürren deutlich zu erhöhen. An dem Forscherteam ist auch das Institut für Erdmessung (IfE) der Leibniz Universität Hannover beteiligt. Weitere Projektpartner sind: die Universität Luxemburg (Luxemburg), das Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., das Centre National d’Études Spatiales (Frankreich), die Géode & Cie (Frankreich) und die Technische Universität Graz (Österreich).
„Extreme Wetterereignisse wie Hochwasser nehmen angesichts des Klimawandels zu“, sagt Adrian Jäggi vom Astronomischen Institut der Universität Bern (AIUB). „Es wird deshalb immer wichtiger, rechtzeitig genug Informationen zur Verfügung zu haben, um alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Leib, Leben und Infrastruktur zu ergreifen.“ Jäggi leitet das dreijährige, von der EU finanzierte Projekt namens EGSIEM (European Gravity Service for Improved Emergency Management), das jetzt in Bern auch offiziell lanciert wurde.
Ziel der Forschung ist es, die Informationen von Satellitensensoren und anderen Datenquellen nicht erst beim Auftreten der Flut, sondern schon vorher zu nutzen. Eine wichtige Information ist dabei die Verteilung der gesamten Wassermengen. Dabei genügt es nicht, zu wissen, wie viel es geregnet hat. Ob es zu einer Überflutung kommt oder nicht, hängt vom Sättigungsgrad des Bodens ab. Paradoxerweise lässt sich der Untergrund am besten aus dem All beobachten. Mithilfe des Satellitensystems GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) zur Schwerefeldbestimmung, mit dem an allen Partnerinstituten seit längerem gearbeitet wird, lassen sich Massenveränderungen auf der Erde analysieren.
EGSIEM-Leiter Jäggi erklärt das Prinzip: „Die Verteilung der Massen hat einen direkten Einfluss auf das Schwerefeld der Erde und somit auf die Bahn der Satelliten. Wenn sich in einer Region Wasser ansammelt, sprich dort die Masse wächst, verändert sich auch die Satellitenbahn.“ Die Abweichung sei zwar minimal – in der Größenordnung eines Haares –, aber messbar. So könne vorhergesagt werden, wann und wo Wasserspeicher volllaufen. Die neuen Daten sollen mit vorhandenen Informationen kombiniert werden, um so die Katastrophenabwehr zu unterstützen.
Das Institut für Erdmessung an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Geodäsie der Leibniz Universität übernimmt dabei die Analyse der Sensordaten der Schwerefeldsatellitenmission GRACE. Dafür wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jakob Flury Sensorfehlermodelle entwickeln, die noch präzisere Modelle des Erdschwerefeldes ermöglichen. Grundlage dafür ist eine Analyse der Sternkameradaten der GRACE Mission, die bereits am IfE erfolgt ist.
Das so erarbeitete System funktioniert ähnlich bei Dürre, nur bleibt hier mehr Zeit, da sich eine Dürre über Wochen ankündigt. In diesem Fall ist es wichtig zu wissen, wie viele Wasserreserven noch zur Verfügung stehen, um rechtzeitig Wassersparmaßnahmen zu verordnen und Ernteausfälle zu verhindern. Neben der Beobachtung akuter Naturereignisse hoffen die Forscher, dass die aufbereiteten Daten dereinst noch weitere Anwendungen ermöglichen, etwa im Ressourcenmanagement.
Neben der Forschungstätigkeit wird das Institut für Erdmessung einen Wettbewerb für die Schülerinnen, Schüler und Studierende organisieren. Das Ziel ist, das Thema „Erforschung der Umwelt“ stärker in den Fokus zu rücken. Der Wettbewerb ist gerade in der Vorbereitungsphase und soll Ende dieses Jahres gestartet werden.
Hinweis an die Redaktionen
Für weitere Informationen steht Ihnen Prof. Dr.-Ing. Jakob Flury der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 4905oder per E-Mail unter flury@ife.uni-hannover.de gern zur Verfügung.