Die Leibniz Universität Hannover (LUH) und die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) tragen maßgeblich zum Bau eines Quantencomputers auf Basis einzelner Ionen bei. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat den Antrag für das Verbundprojekt MIQRO bewilligt und damit den Startschuss für ein Forschungsprojekt mit einer Förderung von 15,8 Millionen Euro gegeben. Das Projekt hat große Ziele: Die Entwicklung eines zukunftsweisenden Quantencomputers basierend auf Hochfrequenz-gesteuerten Ionen. Neben LUH und PTB kooperieren in diesem Forschungsprojekt die Universität Siegen, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die QUARTIQ GmbH sowie die eleQtron GmbH als assoziierter Partner. Die Laufzeit beträgt vier Jahre. Der in diesem Projekt entwickelte und betriebene Quantencomputer wird im Anschluss an das Projekt auf tausend Quantenbits skalierbar sein und damit vielfältigen industriellen und akademischen Anwendungen den Weg bereiten, die jenseits der Möglichkeiten von klassischen Supercomputern liegen.
"Die jetzt bewilligte Förderung stärkt die hiesige Quantencomputer-Forschung noch einmal deutlich. Mit dem Niedersächsischen Quantenbündnis "Quantum Valley Lower Saxony", sind wir bereits stark in die Entwicklung dieser Zukunftstechnologie involviert. Das MIQRO Projekt gibt uns die Möglichkeit, unsere Aktivitäten weiter auszubauen und insbesondere die Entwicklung der zugrundeliegenden Chiptechnologie zu stärken", erklärt Prof. Dr. Christian Ospelkaus, der die Arbeiten an Leibniz Universität Hannover und PTB koordiniert.
Überlegenheit der Quantencomputer
Quantencomputer sollen Probleme lösen, für die selbst die modernsten Supercomputer von heute nicht leistungsfähig genug sind. In einem Quantencomputer werden Informationen in Quantenbits gespeichert und verarbeitet, welche gleichzeitig die Werte 0 und 1 annehmen können. Herkömmliche Computer arbeiten mit klassischen Bits, die nur die Werte 0 oder 1 annehmen können. Diese Gleichzeitigkeit, die sogenannte Quantenparallelität, ist ein wesentliches Merkmal von Quantencomputern und ermöglicht ihnen die effiziente Lösung von komplexen Problemen, welche auch für die besten Bit-basierten Supercomputer praktisch unlösbar bleiben werden. Mögliche Anwendungen für eine derartige Rechenleistung sind vielfältig: in Materialwissenschaften, Chemie oder Pharmakologie ist die Berechnung von höchst komplexen Fragestellungen ein anhaltendes Problem, in der Logistik oder im Finanzwesen gibt es vielschichtige Optimierungsprobleme. Quantencomputer versprechen hier weitreichende Lösungen.
Zwar lassen sich einige spezifische Aufgaben mit bereits existierenden Quantencomputern bereits berechnen, wirklich ausnutzen lässt sich die potentielle Leistungsfähigkeit von Quantenrechnern bisher jedoch noch nicht. Kernproblem heutiger Ansätze ist die Skalierung der existierenden Anlagen auf Größen, mit denen sich Rechenprobleme lösen lassen, für die auch die modernsten Supercomputer und Rechencluster zu langsam sind.
Herzstück des hier angestrebten, universellen Quantencomputers ist ein innovatives Quantenkernmodul auf Basis von gespeicherten Ionen mit bis zu 32 Qubits, der den Grundbaustein für ein künftiges Quantencomputersystem bildet. Mithilfe des Moduls lässt sich ein leistungsfähiger Quantencomputer ohne Technologiebrüche auf bis zu tausend Qubits skalieren. Das Konsortium setzt hier auf die Ionenfallentechnologie, bei der als Quantenbits einzelne Ionen dienen, die mit elektrischen Feldern gespeichert werden. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die patentierten Mikrofabrikationsverfahren, die an der Leibniz Universität Hannover und der PTB entwickelt worden sind. "Einen Quantencomputer auf Basis von einzelnen Ionen kann man sich wie einen großen Güterbahnhof vorstellen. Die Gleise dieses Güterbahnhofs werden durch die elektrischen Felder oberhalb eines Mikrochips gebildet. Ein einzelnes Abstellgleis nennen wir in Analogie zu einem Mikroprozessor ein ''Register''", erklärt Ospelkaus. "Ein Quantenprozessor verfügt über Register zum Präparieren der Qubits, zur Durchführung von Rechenoperationen. Hier an der Leibniz Universität Hannover und der PTB entwickeln wir für MIQRO das Chipdesign und fertigen den Prozessorchip."
An den beiden Einrichtungen entsteht auch die Apparatur für den Quantencomputer. Während die einzelnen Qubits mit Laserstrahlen bis ganz nah an den absoluten Nullpunkt der Temperatur gekühlt werden können, ist die Umgebung der Qubits natürlich durch die Temperatur der umliegenden Vakuumapparatur gegeben. Deshalb ist sie normalerweise auch nicht ganz frei von Störatomen, die mit den Quantenbits stoßen können und so für Verluste sorgen können. Für das MIQRO Projekt entwickeln die Forschenden eine Apparatur, die auf 4,3 Grad über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt wird. Bei diesen tiefen Temperaturen frieren alle Gase in der Apparatur aus, und die einzelnen Atome können auch durch Stöße nicht mehr verloren gehen.
Projektpartner
Innerhalb des Verbundprojekts sollen die Expertisen der beteiligten Verbundpartner optimal zum Einsatz kommen. Die Leibniz Universität Hannover und die PTB bringen ihre Expertise für kryogene Ionenfallen-Apparaturen ein. Chipdesign und Herstellung des Prozessorchips werden ebenfalls in Hannover und Braunschweig durchgeführt. An der Universität Siegen werden die Lasersysteme aufgebaut und Quantengatter mittels Mikrowellenstrahlung implementiert. Die Universität Siegen wird den Prozessor für Nutzer zur Verfügung stellen. Sie ist auch für die Koordination des Verbundprojekts zuständig. Mit Experten auf dem Gebiet der Vermessung und Rekonstruktion von Quantenzuständen ist die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit Prof. Dr. Martin Kliesch als Theoriepartner optimal aufgestellt, die notwendigen Charakterisierungs- und Verifizierungsmethoden zu entwickeln und zu implementieren. Für die elektronischen Kontrollsysteme der Anlagen baut MIQRO auf den führenden Entwicklungen der QUARTIQ GmbH unter Leitung von Dr. Robert Jördens auf, deren Steuersoftwareplattformen ARTIQ und Sinara bereits heute weltweit von Forschungsgruppen zur Steuerung von Quantentechnologien eingesetzt werden und ein breites Anforderungsprofil mit Komponenten industrieller Qualität abdecken.
Hinweis an die Redaktion
Für weitere Informationen steht Ihnen Prof. Christian Ospelkaus, Institut für Quantenoptik, unter Telefon +49 511 762-17644 oder per E-Mail unter christian.ospelkaus@iqo.uni-hannover.de gern zur Verfügung.