Neuartige 3D-Gewebemodelle zum Einsatz in der Medizin und in der Kosmetikentwicklung: Daran arbeitet das Konsortium PLATFORMA, an dem Forschungseinrichtungen und Wirtschaftspartner aus Deutschland, Großbritannien und Belgien beteiligt sind. Das Projekt wird mit zwei Millionen Euro aus dem EIC-Pathfinder-Programm "EIC Transition to Innovation" gefördert. Die Leibniz Universität Hannover (LUH) ist mit dem Institut für Quantenoptik maßgeblich an PLATFORMA beteiligt.
Die 3D-Gewebemodelle, die auf lasergedruckten biokompatiblen Gerüststrukturen gezüchtet werden, sollen Untersuchungen direkt an menschlichem Gewebe ermöglichen - etwa zur Entwicklung neuer Medikamente oder für das Screening von Kosmetika und Schadstoffen. Dies kann entscheidend dazu beitragen, zukünftig Tierversuche in diesen Bereichen überflüssig zu machen.
Das Gewebe wird in und auf Gerüststrukturen, so genannten Scaffolds, gezüchtet. Im Projekt werden zwei unterschiedliche Gewebemodelle entwickelt: ein Hautmodell und ein Muskelmodell. Dafür werden lebendige Zellen quasi zu Stammzellen zurückprogrammiert. Anschließend können daraus verschiedene Zelltypen entstehen. Im PLATFORMA-Projekt sind dies Haut- und Muskelzellen. Besonderes Merkmal der dreidimensionalen Gewebemodelle ist, dass sie aus einer Kombination der Haut- beziehungsweise Muskelzellen mit Neuronen und Elektroden aufgebaut werden. Die integrierten Elektroden ermöglichen eine permanente elektrophysiologische Überwachung direkt an den neuronalen Zellen. Durch diese Überwachung kann die Reaktion der Zellen bei Versuchen direkt beobachtet werden.
Die Forschung an den Muskelmodellen soll neue Erkenntnisse zu Krankheiten wie Muskelatrophien und Erkrankungen der Motoneuronen liefern. Dafür werden Patientinnen und Patienten kranke Zellen entnommen, die auf die Scaffolds aufgebracht und in ihren Reaktionen dann mit gesunden Zellmodellen verglichen werden. Anhand der Hautmodelle sollen ebenfalls medizinische Aspekte wie die Verabreichung neuer Arzneimittel über die Haut untersucht werden, sie sollen aber auch in der Entwicklung von Kosmetika zum Einsatz kommen - mit dem Ziel, auf Tierversuche weitgehend verzichten zu können.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Nanoengineering am Institut für Quantenoptik der LUH haben bereits in Vorgängerprojekten wichtige Beiträge zum Fortschritt der additiven 3D-Laser-Nanofertigung und zum Laserdrucken von lebenden Zellen und Gewebe geleistet. "Dank des Exzellenzclusters REBIRTH und der Erfahrung, die wir dort in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover gesammelt haben, wollen wir 3D-Modelle des zentralen Nervensystems und des peripheren Nervensystems entwickeln. Das PLATFORMA-Projekt wird biokompatible 3D-Scaffolds, Stammzelldifferenzierungs- und -kulturtechniken fortentwickeln, um schließlich mehrschichtige Organ-on-a-Chip-Modelle zu erstellen", erläutert Prof. Dr. Boris Chichkov, Leiter des Projekts am Institut für Quantenoptik. Ein Teil der biologischen Arbeiten wird in Laboren des Niedersächsischen Zentrums für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung (NIFE) durchgeführt.
In der Region Hannover ist an PLATFORMA außerdem die Laser nanoFab GmbH beteiligt. Das junge technologieorientierte Unternehmen entwickelt und vermarktet Mikro- und Nanofabrikationstechnologien und -systeme. Im Projekt PLATFORMA entwickelt die Firma die laserbasierte Mikro- und Nanoproduktionstechnik für die Herstellung der 3D-Gewebegerüste mit integrierten Elektroden.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass in der zweijährigen Laufzeit von PLATFORMA erste anwendungsreife Modelle entstehen. Schon jetzt zu Beginn des Projekts befinde man sich am Übergang zur Produktentwicklung.
Außer der LUH und der Laser nanoFab GmbH sind die Aston University (Großbritannien) sowie die Unternehmen StratiCELL (Belgien) und Axol Bioscience (Großbritannien) an PLATFORMA beteiligt. DLM Consultancy Services Limited (Schottland) unterstützt bei der Zusammenarbeit und wissensbasierter Geschäftsentwicklung.
Hinweis an die Redaktion:
Für weitere Informationen steht Ihnen Prof. Dr. Boris Chichkov, Institut für Quantenoptik der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 17771 oder per E-Mail unter chichkov@iqo.uni-hannover.de gern zur Verfügung.