Ob radioaktiv belasteter Boden oder archäologische Fundstücke: Die Analyse von Isotopen kann helfen, Alter und Herkunft einer Probe genauestens zu bestimmen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leibniz Universität Hannover (LUH) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben jetzt eine neue Methode entwickelt, die geeignet ist, anhand der Isotopenverteilung Information über die Herkunft kleinster Partikel zu erhalten. Das Projekt ist vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und von der Siebold Sasse Stiftung mit mehr als zwei Millionen Euro gefördert worden. Die Ergebnisse wurden jetzt in Science Advances veröffentlicht.
Entwickelt wurde die Methode für die nukleare Forensik, also für radioaktives Material. Denkbar ist längerfristig aber auch eine Anwendung bei nicht-radioaktiven Proben, so beispielsweise bei Herkunftsbestimmungen anhand von Isotopen in der Archäologie, bei Lebensmitteln oder Umweltgiften. „Das Besondere an unserer Methode ist, dass sie selbst mikroskopisch kleine Partikel quasi intakt lässt. In günstigen Fällen zählen wir nur einige 10.000 Ionen. Daher kann man die Probe danach noch mit weiteren Techniken untersuchen oder auch z.B. als Beweissicherung verwahren“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Clemens Walther, Institut für Radioökologie und Strahlenschutz (IRS) der LUH.
Grundsätzlich ermöglicht es die SNMS (resonant laser secondary neutral mass spectrometry) durch die Messung der Element- und Isotopenzusammensetzung, Hinweise auf die Herkunft und Geschichte eines Materials abzuleiten. Stammt das Material z.B. aus einem Kernreaktor, so lassen sich Rückschlüsse auf den Reaktortyp ziehen und auch darauf, welche Betriebszustände der Reaktor hatte und wie lange das Material im Reaktor verbracht hat („Abbrand“). Nahezu alle Elemente lassen sich so bestimmen. Das Hauptinteresse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsteams gilt den Actiniden Uran, Plutonium, Americium, Curium, aber auch den Spaltprodukten wie Strontium, Cäsium und Technetium. In der vorliegenden Veröffentlichung wird das Verfahren an Partikeln aus Tschernobyl demonstriert, die bei der Reaktorexplosion 1986 freigesetzt wurden.
Im Gegensatz zu bisher eingesetzten Methoden arbeitet die SNMS praktisch zerstörungsfrei, d.h. das Partikel steht für weitere Untersuchungen zur Verfügung. Dafür wird eine kommerzielle TOF-SIMS Anlage (sog. static secondary ion mass spectrometry) mit Lasern gekoppelt, die die verschiedenen Elemente selektiv ionisieren. Damit ist es im Gegensatz zu herkömmlichen massenspektrometrischen Methoden auch möglich, sogenannte Isobare zu unterdrücken und damit Elemente wie Uran und Plutonium, deren Isotope über die gleiche Masse verfügen, unterscheidbar zu machen, was bei konventionellen Massenspektrometern nicht möglich ist.
Gleiches gilt für die Elemente Plutonium und Americium. Das ist von großem Interesse, da 241Pu eine Halbwertszeit von nur 14 Jahren hat und in 241Am zerfällt. Dieses 241Am ist als Alphastrahler sehr radiotoxisch und wird in einigen Jahren die dominierende Alpha-Exposition (Strahlenbelastung) rund um Tschernobyl darstellen. Es ist also für den künftigen Umgang mit und die Nutzung von kontaminierten Flächen wichtig zu wissen, wie schnell und welche Isotope aus den in großen Mengen vorkommenden Partikeln dort freigesetzt werden können.
Weil die Methode keine aufwändige Probenvorbereitung, wie zum Beispiel chemische Trennung, benötigt, können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler innerhalb eines Arbeitstages ein Partikel auffinden, separieren und die Isotopenmuster von bis zu vier verschiedenen Elementen messen. Die Summe der obigen Eigenschaften macht die Anlage weltweit einzigartig.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Quantum/LARISSA am Institut für Physik der JGU haben an mehreren Punkten zu den experimentellen Grundlagen der verwendeten spurenanalytischen Methode beigetragen. So wurde das eingesetzte Lasersystem am Institut für Physik in Mainz entwickelt und gemeinsam am analytischen Messsystem in Hannover implementiert. In Mainz wurden zudem in den lasermassenspektrometrischen Apparaturen der JGU die optischen Anregungs- und Ionisationsschritte für die umweltrelevanten Actinide Plutonium, Americium und Curium erprobt und deren Eignung für die ortsaufgelöste Analytik am IRS charakterisiert.
Arbeitsgruppenleiter Prof. Dr. Klaus Wendt meint dazu: „Die gemeinsamen Arbeiten mit dem Institut für Radioökologie und Strahlenschutz sind besonders erfreulich. Sie geben uns die Möglichkeit, unsere grundlagenforschungsorientierten Ansätze sehr nutzbringend in die Ultraspurenbestimmung einzubringen. Gemeinsam können wir nun gefährliche Radionuklide selbst in kleinsten Mengen auf winzigen Partikeln bestimmen.“
Die Ergebnisse wurden jetzt in Science Advances veröffentlicht:
“New horizons in microparticle forensics: Actinide imaging and detection of 238Pu and 242mAm in hot particles“. Bosco et al., Sci. Adv. 2021; 7 44 (29 October 2021)
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abj1175
Hinweis an die Redaktion
Für weitere Informationen stehen Ihnen Prof. Dr. Clemens Walther, Institut für Radioökologie und Strahlenschutz an der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 3312 oder per E-Mail unter walther@irs.uni-hannover.de und Prof. Dr. Klaus Wendt, Institut für Physik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, unter Telefon +49 6131 39-22882 oder per E-Mail unter Klaus.Wendt@uni-mainz.de gern zur Verfügung.