Eine geniale Idee: Studierende der Leibniz Universität Hannover (LUH) haben eine umweltfreundliche Alternative zum Papierrohstoff Holz gefunden - und zwar aus den Abfällen der Ananaspflanze. Das Verfahren soll in Kürze in einer Pilotanlage auf einer Partnerplantage in Costa Rica in die Produktion gehen und dort Arbeitsplätze schaffen. Den dort entstandenen Zellstoff wollen die jungen Gründerinnen und Gründer des Projekts Musa Fibra unter anderem in Niedersachsen vermarkten.
Drei Mitglieder des 14-köpfigen Teams erhalten nun eine Förderung des Landes Niedersachsen in Gesamthöhe von 33.000 Euro: das 100. Stipendium aus dem Programm "Gründungsstipendium" des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums, das im Mai 2019 ins Leben gerufen wurde. Es richtet sich an Start-ups (bis zu drei Stipendien pro Gründung), die von einer Hochschule, einem Start-up-Zentrum oder einem anderen Accelerator intensiv unterstützt werden. Musa Fibra ist Teil der studentischen Initiative Enactus, die globale, soziale und ökologische Probleme durch unternehmerisches Handeln lösen möchte. Mit insgesamt mehr als 70.000 Studierenden gehört Enactus zu den größten Entrepreneurship-Initiativen weltweit. Enactus Hannover hat bereits mehrere zukunftsträchtige Projekte in unterschiedlichen Ländern hervorgebracht.
Die Vision des Musa-Fibra-Teams ist, dass möglichst kein Baum mehr für die Papierherstellung gefällt werden muss. Etwa jeder fünfte Baum geht in Zeiten weltweit steigenden Papierverbrauchs momentan in die Papierproduktion. "Zugleich würde die Verwertung der Ananas-Abfälle ein großes Entsorgungsproblem in den Anbauländern am Äquator lösen", sagt Niklas Tegtmeier, Student der Pflanzenbiotechnologie an der LUH, der das Gründungsstipendium jetzt mit seinem Team von Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann entgegengenommen hat.
Auf den Ananasplantagen in Costa Rica - dem Weltmarktführer im internationalen Ananashandel - fallen wöchentlich bis zu 300 Tonnen Pflanzenreststoffe an. Die dicken Ananasblätter sind schwer kompostierbar und müssen arbeitsintensiv untergepflügt, verbrannt oder mit Chemikalien zur Austrocknung behandelt werden. Zudem dienen die Abfälle, die auf den Feldern verbleiben, einer Stechmücke als Brutstätte, die die lokalen Nutztiere befällt und dadurch Ertragsverluste für die Viehzüchter zur Folge hat.
Musa Fibra hat in den Laboren des Instituts für Technische Chemie der LUH ein neues Verfahren entwickelt, um Zellulose aus Ananasblättern zu extrahieren, die als Substitut für hölzernen Zellstoff, zum Beispiel für die Papierproduktion, eingesetzt werden kann. Erste Anfragen aus der Industrie gibt es bereits. Während zwei Projektreisen konnte das Musa-Fibra-Team ein breites Netzwerk in Costa Rica aufbauen, etwa zu den Verantwortlichen der Ananasplantagen und der deutsch-costaricanischen Handelskammer. Auch das Forschungsinstitut CENIBIOT und die Universität UTN aus Costa Rica unterstützten das Vorhaben.
Musa Fibra nutzt ein chemisches Verfahren zur Extraktion von Zellulose aus den Ananasblättern. Der Prozess wird mit nicht-toxischen Chemikalien umgesetzt. Auf chlorhaltige Substanzen, die in der konventionellen Papierproduktion zum Bleichen verwendet werden, wird bewusst verzichtet. Außerdem wird der Wasserverbrauch möglichst gering gehalten. "Holz hat einen hohen Ligningehalt", erläutert Studentin Merit Ulmer, "daher ist es viel komplizierter, die Lignine, diese stark vernetzenden Substanzen, herauszutrennen. Der Gehalt an Ligninen in Ananasblättern ist deutlich geringer, und dementsprechend können wir ein weicheres Verfahren anwenden." Professor Thomas Scheper vom Institut für Technische Chemie der LUH unterstützt seine Studierenden: "Sie haben ein ausgereiftes Verfahren entwickelt, das Hand und Fuß hat."
In Costa Rica besteht großes Interesse an der Idee von Musa Fibra. Auf der ersten Partnerplantage im Norden des Landes wollen die Studierenden im kommenden Jahr eine Pilotanlage bauen, die zeigen soll, wie Zellulose aus Ananas-Abfällen gewinnbringend produziert werden kann. Dadurch können zudem neue Arbeitsplätze in einer der ärmsten Regionen Costa Ricas geschaffen werden. Der dort entstandene Zellstoff wird dann nach Deutschland exportiert und an Unternehmen vermarktet, denen Nachhaltigkeit ein Anliegen ist. Die Produktkette soll dabei transparent bleiben, so dass auch Endkundinnen und -kunden erfahren, warum Produkte aus Ananaspapier sowohl für Mensch als auch Natur einen Mehrwert bedeuten.
Hinweis an die Redaktion:
Für weitere Informationen steht Ihnen Merit Ulmer unter merit.ulmer@unihannover.enactus.de gern zur Verfügung.