Gottfried in a Nutshell #6

42: The answer to life, the universe and everything

Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Automatisierung, Pflegeroboter und selbstfahrende Autos werden immer mehr Realität. Eine Maschine, die "ohne einige Mühe des Gemüths" rechnet, trieb auch schon den hannoverschen Philosophen im 17. Jahrhundert um. Nicht "Deep Thought" - wie bei Douglas Adams Romanreihe "Per Anhalter durch die Galaxis" (1979 bis 1992) oder dem danach benannten, legendären Schachcomputer, der 1988 erstmals gegen einen Schachgroßmeister gewann - sondern "lebendige Rechenbank" nannte Leibniz seinen 'Rechner'. Als "SUPRA HOMINEM", dem Menschen überlegen, übertitelte er seine Erfindung später selbstbewusst auf einem Medaillenentwurf. Weil, so Leibniz, "mit dem Einsatz einer Maschine auch der Einfältigste die Ergebnisse sicher hinschreiben kann." Einzig durch "Drehung an einer Kurbel" sollte das, was "sonst auf dem Papier geschieht", in die "Maschine transferiert werden".

Wir befinden uns in den Anfängen der Mechanisierung von Denkoperationen. Bereits als Zwölfjähriger ersann Leibniz (nach eigener Aussage) eine "Art Alphabet der menschlichen Gedanken". Ein Zeichensystem aus Grundbegriffen, die sich zu gedanklichen Urteilen kombinieren lassen sollten. Ein universales Kalkül mit mechanischen Regeln, mit dem jedes Problem berechenbar und entscheidbar werden könne.

Es seien "Charaktere für alle beliebigen Ausdrücke zu erfinden, aus denen, nachdem sie miteinander verbunden worden sind, die Wahrheit der aus den Ausdrücken zusammengesetzten Sätze sofort erkannt werden kann." In einer solchen durch Logikoperationen formalisierten Wissenschaft, so folgert Leibniz, kann jede Aussage durch "Rechnen" auf ihre Wahrheit hin geprüft und entschieden werden.

Die Vorstellung von Maschinen, die intelligent genug sind, auch komplexe Aufgaben zu meistern, schien schon Leibniz keineswegs abwegig: "Es besteht kein Zweifel, daß der Mensch eine Maschine herstellen könnte, die imstande wäre, sich eine zeitlang durch eine Stadt umherzubewegen und genau um bestimmte Straßenecken zu biegen. [...] und ein Schiff herstellen könnte, das [...] im Stand wäre, ganz allein einem bestimmten Hafen zuzusteuern [...]".

Künstlerische Darstellung: Künstliche Intelligenz (als Roboter) mit Neujahrsbrief zum binären Zahlensystem Künstlerische Darstellung: Künstliche Intelligenz (als Roboter) mit Neujahrsbrief zum binären Zahlensystem Künstlerische Darstellung: Künstliche Intelligenz (als Roboter) mit Neujahrsbrief zum binären Zahlensystem © Basis-Grafik: ariadne-a-mazed / pixabay.com
Künstliche Intelligenz mit Neujahrsbrief zum binären Zahlensystem, Januar 1697, Gottfried Wilhelm Leibniz an Herzog Rudolf August von Wolfenbüttel.

Mechanische Wunderwerke, automatische Figuren und Maschinen sind die Lieblingsobjekte barocker Wunderkammern - aber auch, wie bei dem Philosophen René Descartes, Inspirationsquelle der Imagination damals unerklärlicher physiologischer Vorgänge im menschlichen Körper. Descartes verglich das Herz mit einer Pumpe, den Blutkreislauf mit Kanälen und Schleusen, letztlich sah er im Menschen eine "göttliche Maschine". Lag es da nicht nahe, dass der Mensch selbst zum Schöpfer von menschenähnlichen Maschinen werden könne? Es bestünde kein Zweifel, so Leibniz: "daß [der Mensch] auch einen Körper bilden könnte, der fähig wäre, einen Menschen nachzuahmen." Gleichzeitig formulierte sich die philosophische Frage nach der Unterscheidung von Mensch und Maschine, von "natürlichen und unkörperlichen Automaten". Kann eine Maschine anthropomorphe Eigenschaften oder gar eine Seele haben? Damals wie heute befinden wir uns an der Schnittstelle von Technik und Philosophie. Ist ein Taschenrechner intelligent, weil er besser rechnet als ein Mensch? Wo beginnt Intelligenz? Heute beschäftigt sich die Maschinenethik mit solchen Fragen. Können Maschinen moralisch handeln? Ist es moralisch eher zu vertreten, wenn ein Saugroboter statt eines Marienkäfers eine Spinne wegsaugt? Was unterscheidet uns Menschen am Ende von der moralischen Maschine? Für Leibniz war die Antwort eindeutig: "Denkt man sich etwa eine Maschine, deren Einrichtung so beschaffen wäre, daß sie zu denken, zu empfinden und zu perzipieren vermöchte, so kann man sie sich [...] vergrößert denken, so daß man in sie wie in eine Mühle hineintreten könnte. Untersucht man alsdann ihr Inneres, so wird man in ihr nichts als Stücke finden, die einander stoßen [...]" Der Mensch ist durch die göttliche Befähigung vernunftbegabt und hat eine Seele, die Maschine besitzt letzten Endes "nur Teile die sich stoßen". Die Antwort von Douglas Adams Supercomputer auf die an ihn gestellte "Große Frage" nach "dem Leben, dem Universum und allem" fällt nach 7,5 Millionen Jahren der Berechnung rational aus: "'Zweiundvierzig', sagte Deep Thought mit unsagbarer Erhabenheit und Ruhe. Denn, zum Finden einer Antwort, so die Maschine, muss man wissen, wie man die richtige Frage stellt. Letztlich trägt immer der Mensch die Verantwortung für das Ergebnis der Algorithmen. Von der Maschine unterscheidet uns nämlich, wie es bereits Leibniz wusste, "humanes, vernunftbegabtes Denken und Handeln".

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Dr. Ariane Walsdorf
Referat für Kommunikation und Marketing
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