Wie in Stein gehauene Buchmalerei, als betrete man eine dreidimensionale mittelalterliche Handschrift, mäandern die Flechtbänder an der Fassade des Welfenschlosses entlang. Das Herrscherhaus war 1837 nach dem Ende der Personalunion aus England nach Hannover zurückgekommen, und auch die „höhere Gewerbeschule“ erfuhr 1831 eine Nobilitierung und wurde zum „Polytechnikum“. Die „Höhere Baukunst“ und der „Hannoversche Stil“ waren bevorzugte Lehrgegenstände. Hatte Laves die römische Antike à la Schinkel zum Ideal erhoben, fand die neue Generation Architekten ihre Vorbilder in der Kunst der Romanik. Allerorts entstanden Klinkerbauten mit romanischen Blattwerkfriesen aus gebranntem Ton in Hannover, die „sinnig und gemüthsvoll“ anmuteten, wie die Christuskirche in der Nordstadt. Heinrich Tramm war bei Conrad Wilhelm Hase in die Lehre gegangen, und auch ihm hatte es das gotische Stabwerk mit Flechtbändern und Rundbögen angetan. Das Welfenschloss überzog er mit einem Netz aus vertikalen Stäben und gotischem Maßwerk aus Deistersandstein. Wie die illuminierten Seiten mittelalterlicher Buchmalerei ließ er Flechtbänder mit floralen und figürlichen Motiven das gestaffelte Stabwerk an der Fassade überziehen. Akanthusblätter wachsen an den Stäben empor, und Rittersleute stehen tapfer hinter ihren Schilden. Noch heute inspirieren uns gleichermaßen die Details wie das Gesamtkunstwerk.
(Text: Dr. Ariane Walsdorf)